4. Mobilität der Zukunft

4.1 Wien in Bewegung

Die Art und Weise, wie wir uns durch die Stadt bewegen, hat großen Einfluss auf Umwelt, Luftqualität und Klima. Gleichzeitig verändert sie aber auch die Gestaltung des öffentlichen Raums grundlegend – mit spürbaren Effekten für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Am „Rädchen Mobilität“ zu drehen kann daher mehrere positive Veränderungen gleichzeitig bewirken.

Zwei erfolgreiche Grundprinzipien werden in Wien seit Jahren befolgt: die Stadt der kurzen Wege als Leitbild, sodass die meisten Ziele des täglichen Lebens zu Fuß erreicht werden können, sowie ein starkes öffentliches Verkehrsnetz als Rückgrat des städtischen Verkehrs. Diese müssen in Zukunft einerseits weiter konsequent verfolgt und andererseits durch neue Prinzipien ergänzt werden.

Modal Split Wiener Linien, Daten: Wiener Linien
Abbildung: Modal Split Wiener Linien, Daten: Wiener Linien.

Im Pandemiejahr 2020 hat sich das Mobilitätsverhalten gezwungenermaßen verändert. Öffentliche Verkehrsmittel verloren durch COVID-19 kurzfristig an Attraktivität. Das führte jedoch nicht zu einem signifikanten Umstieg von den Öffis auf das Auto, zumal der Anteil der PKW-Fahrer*innen in den letzten drei Jahren beinahe konstant geblieben ist. Im Jahr 2021 konnten die öffentlichen Verkehrsmittel bereits wieder einen Zuwachs verzeichnen.

Auch wenn der Anteil der mit dem Auto zurückgelegten Wege beinahe unverändert geblieben ist, hat sich die Intensität des städtischen Verkehrs während der Lockdowns zeitweise deutlich reduziert.

Die Luftschadstoffbelastung ging zuletzt dem langjährigen Trend folgend leicht zurück. Hier wurden mehrere Faktoren wirksam: Neben dem Verkehrsaufkommen spielten auch die Wetterlage bzw. die Grundbelastung eine wichtige Rolle.

Abbildung: Entwicklung der Feinstaub (PM10) Jahresmittelwerte in Wien. Gemessen wird an 13 Messstationen, die Abbildung gibt die Bandbreite der lokalen Messergebnisse an. Daten: Stadt Wien – Umweltschutz (MA 22)
Abbildung: Entwicklung der Stickstoffdioxid Jahresmittelwerte in Wien. Gemessen wird an 16 Messstationen, die Abbildung gibt die Bandbreite der lokalen Messergebnisse an. Seit 2020 liegen die Mittelwerte erstmals an allen Stationen unterhalb des EU-Grenzwerts. Daten: Stadt Wien – Umweltschutz (MA 22)

In der Smart City Strategie und im Wiener Klimafahrplan ist festgelegt, dass die CO2-Emissionen aus dem Verkehr bis 2030 um 50 % und bis 2040 um 100 % sinken sollen. Erreicht werden soll dieses Ziel nicht zuletzt durch eine Verlagerung in der Verkehrsmittelwahl: 85 % aller Wege sollen bis 2030 im Umweltverbund zurückgelegt werden. Der private Autobesitz soll im gleichen Zeitraum auf 250 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner*innen sinken. Das wiederum wird zahlreiche Stellplätze in Wien obsolet machen – diese sollen sukzessive reduziert werden. Hierfür soll einerseits eine Abänderung der derzeit im Garagengesetz verankerten Verpflichtung zur Errichtung von Stellplätzen bei Neubauten diskutiert werden. Klar ist andererseits, dass in den kommenden Jahren auch umfangreiche Maßnahmen zur Neuverteilung des öffentlichen Raums notwendig sind, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen.

Ein erfreulicher Trend ist dahingehend in den letzten Jahren zu beobachten: Die Zahl der PKW-Neuzulassungen in Wien geht in den letzten Jahren deutlich nach unten, vor allem 2020 und 2021 ist eine signifikante Abnahme zu erkennen. Die Zahl der neu gemeldeten PKWs, die elektrisch betrieben sind, hat 2020 und 2021 zugenommen. Um die Umstellung auf alternative Antriebe zu unterstützen, erweitert Wien schrittweise das Netz von E-Ladestationen im öffentlichen Raum. In den kommenden Jahren werden zu den bestehenden 1000 Ladepunkten weitere 200 neue E-Ladepunkte errichtet.

Abbildung: PKW Neuzulassungen Wien 2010 – 2021, Daten: Stadt Wien

Die Reduktion des motorisierten Individualverkehrs (MIV) in der Stadt ist nicht nur eine wirksame Klimaschutzmaßnahme, sondern trägt auch zur Reduktion von negativen Umweltwirkungen des Verkehrs bei. Neben der Schadstoffbelastung hat beispielsweise auch der verursachte Lärm Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Wiener*innen. Wie auf der Abbildung erkennbar ist, verursacht der MIV derzeit vor allem entlang der Hauptverkehrsachsen erhebliche Lärmbelastungen.

Lärmkarte Wien. An den Verkehrsachsen ist die Lärmbelastung groß, Quelle: „So klingt Wien. Zukunftsmusik für eine umweltgerechte Stadt“, © Stadt Wien – Umweltschutz (MA 22)

Der Fußgänger*innenanteil ist, im Vergleich zu anderen Städten, in Wien traditionell hoch und während der Pandemie noch einmal deutlich gestiegen. Drei Wiener Bezirke (Ottakring, Neubau, Josefstadt) haben in den letzten beiden Jahren sogenannte Masterpläne Gehen erstellt. Darin werden strategische Ziele zur Verbreiterung von Gehsteigen, der Einführung von Fußgängerzonen etc. festgelegt. Die Masterpläne ermöglichen es den Bezirken außerdem, Fördermittel des Bundes für die Errichtung von Fußgängerzonen, Wohnstraßen, breiten, gepflasterten Gehsteigen und anderen Maßnahmen zur Verbesserung des Zu-Fuß-Gehens zu erhalten. Das Wiener Radwegenetz wurde im Zeitraum 2018 – 2021 um 76 km auf eine Gesamtlänge von nunmehr 1661 km ausgebaut.

Kontroverse Stadtstraße

Das medial präsenteste Mobilitätsthema des Jahres 2021 war die Kontroverse rund um die sogenannte Stadtstraße. Es handelt sich dabei um eine 3,2 km lange Straße der Kategorie „Hauptstraße B“ der Stadt Wien, die sich momentan im Bau befindet. Sie soll die Südosttangente Wien (A 23) am Knoten Hirschstetten mit der geplanten Schnellstraße S1 Spange Seestadt Aspern verbinden, die ab der Anschlussstelle Seestadt Aspern West zur Wiener Außenring Schnellstraße führen soll. Ab August 2021 wurden mehrere Baustellen von Klimaaktivist*innen besetzt, die in den Bauaktivitäten einen Widerspruch zu den Wiener Klimazielen sehen. Die Befürworter*innen des Projekts argumentieren mit dem rechtlich gültigen Bescheid der Umweltverträglichkeitsprüfung für das Stadtentwicklungsgebiet Aspern Seestadt Nord, in dem der Bau der Straße als Bedingung an den Bau von 17.500 Wohnungen geknüpft ist. Gegner*innen kritisieren vor allem den hohen Ausbaugrad der vierspurigen Straße und fordern teilweise eine Redimensionierung der Planungen (inkl. Änderung der Umweltverträglichkeitsprüfung), teilweise die gänzliche Beendigung des Projekts zugunsten von Investitionen in den Umweltverbund.